10 kleine Äffchen, da waren´s nur noch neun! Tierethik im Kapitalismus
Wie gehen wir Menschen mit Tieren um? Verstehen wir sie als Verwandte? Haben Tiere eine Seele? Sind sie uns gleich gestellt? Was für eine Rolle spielen wirtschaftliche Erwägungen bei unserem Umgang mit Tieren? Diesen Fragen ging Dr. Ulrike Zubal-Findeisen, Leiterin des auf interkulturelle Fragen spezialisierten Koiné-Instituts, vor dem Kirchheimer BDS nach.
Auslöser für diesen Vortrag waren die Tierversuche an 10 Affen, die 2014 gezielt vier Stunden lang Auspuffgasen des VW-Beetle ausgesetzt wurden unter der Federführung der EUGT (Europäische Foschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor), einer von Volkswagen, Daimler und BMW finanzierte Lobby-Initiative. Dr. Zubal-Findeisen begann ihren Vortrag mit einer Bestandsaufnahme der weltweit bestehenden Tierversuche: Alle 11 Sekunden stirbt ein Tier in der BRD im Rahmen von Tierversuchen, jährlich sind das an die 3 Millionen Tiere. Zum Vergleich: In den USA liegt die Zahl konservativ geschätzt bei 20 Millionen. Nach einem Seitenblick auf das Europäern fremde Essverhalten in asiatischen Ländern, Stichwort Hunderezepte in China und Südkorea, leitete sie über zu den kulturellen Bedingungen, die das Verhalten der Menschen gegenüber Tieren bestimmen. Daoismus, Konfuzianismus, Buddhismus kennzeichnen höchst unterschiedliche Einschätzungen der Tierwelt, die von extremer Tierliebe (Tiere und Menschen als Verwandte) bis hin zu grausamen Quälereien reichen.
Die Vortragende ging dann auf die besondere Situation in Europa ein. Beginnend mit dem biblischen Gebot an den Menschen, sich die Tierwelt untertan zu machen, berichtete sie über amüsante Tierprozesse im Mittelalter gegen Engerlinge, Maikäfer und Ratten, erläuterte die rigide Haltung gegenüber Tieren als seelenlosen Körpern im Barock (Descartes) und schilderte den Beginn der Tierliebe in einer neu entstehenden Empathiebewegung im Zeitalter der Aufklärung. Sie berichtete dann über den Beginn des Tierschutzes im ausgehenden 19. Jahrhundert, der getragen wurde von antisemitischen Ressentiments (Schächtung), und die Darwinsche Evolutionstheorie, die nur einen graduellen, aber nicht mehr wesensmäßigen Unterschied zwischen Tier und Mensch sieht. Das führte dazu, dass die Grenzen zwischen Tier und Mensch immer mehr verschwammen und ermöglichte letztlich die ambivalente Haltung der Europäer zur Tierwelt, die das 20. und 21. Jahrhundert prägt. Sie ist einerseits geprägt von der Tendenz zur Vermenschlichung der Tierwelt (übergro.e Liebe zu den Haustieren, Konrad Lorenz: Gänse sind auch nur Menschen), andererseits konnte es auf diese Weise zu einer Vertierung von Menschen kommen (Juden als Ratten und Mäuse), die die grausamen Menschenversuche der Nazizeit ermöglichte. Bis heute schwankt das Verhältnis der Europäer zu den Tieren zwischen diesen beiden Extremen.