Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion in der Kirchheimer Schlosskapelle:
von links Angelika Matt-Heidecker, Helmut Riegger, Moderator Gerd Scheffold, Bernhard Richter, Marcel Baars und Albert Kahle. Foto: Gerald Prießnitz
Artikel aus den Lokalnachrichten des Teckboten vom 10. November 2003
PODIUMSDISKUSSION / Politisches Frühstück mit fünf Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl, Bund der Selbstständigen und City-Ring Kirchheim
Wer etwas will, sucht Wege, wer nicht, sucht Gründe
Ist die Bildung von GmbHs durch die Stadt der beste Weg zur Sanierung ihrer Finanzen? Nicht alle Aufsehen erregenden Lösungen, die Bürgermeister Jürgen Spahl aus der mittelfränkischen 7 000-Einwohner-Gemeinde Rednitzhembach zur Sanierung seines Gemeindehaushalts gefunden hat, sind auf Kirchheim übertragbar. Denkanstöße aber sind sie allemal und Ansporn für Verwaltung, Gemeinderat und Bürger zur Entwicklung eigener pfiffiger Lösungen zur Weiterentwicklung Kirchheims.
HELMUT SCHWENGER
KIRCHHEIM
Mitglieder des Bundes der Selbstständigen (BDS) in Kirchheim und der City-Ring hatten am Sonntag in die Schlosskapelle zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, in der Bürgermeister Jürgen Spahl aus dem mittelfränkischen Rednitzhembach einen spektakulären Weg präsentierte, um seine Gemeinde innerhalb weniger Jahre in die Schuldenfreiheit zu führen. Der Titel Der Bürgermeister als Unternehmer beinhaltet bereits eine erste Wegweisung. Seine Erfahrungen kommentierten anschließend fünf Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl, die zudem ihre Konzepte und Ziele für eine erfolgreiche Zukunft Kirchheims erläuterten. Vertreten waren Angelika Matt-Heidecker, Bürgermeister Helmut Riegger,
Reichenbachs Bürgermeister Bernhard Richter, Marcel Baars und Albert Kahle. Die Moderation der Podiumsdiskussion übernahm der Repräsentant des Landesverbandes des Bundes der Selbständigen, Gerd Scheffold.
Nehmen Sie die Bürger mit auf ihem Weg, ein zukunftsfähiges Unternehmen Kirchheim zu gestalten, appellierte bereits in seiner Begrüßung der Kirchheimer BDS-Vorsitzende Metzger an die Kandidaten und machte keinen Hehl daraus, dass die Ideen Jürgen Spahls denen des BDS sehr nahe kommen.
Als Einstieg für die anschließende Diskussion schilderte Jürgen Spahl die Ausgangslage bei seinem Amtsantritt vor acht Jahren: eine Pro-Kopf-Verschuldung von 780 Euro. Bereits Mitte Dezember 2003 werde die Gemeinde schuldenfrei sein. Spahl stand vor finanziell ähnlich prekären Situationen, wie viele andere Gemeinden heute auch. Sein Rat deshalb: Nicht die Einnahmen erhöhen, sondern Kosten und Ausgaben senken. Als Erfolgsrezept hat sich Jürgen Spahl einen Leitspruch zugrunde gelegt: Wer etwas will, sucht Wege, wer nicht will, sucht Gründe.
Zu Spahls erstem Block seiner Schilderungen als erste Kandidatin Angelika Matt-Heidecker: Gut, dass man solche Erfahrungen machen kann. Es geht aber nicht ums Kopieren, sondern ums Kapieren. Aufzugreifen ist, dass unter Einbeziehung von privaten Firmen viel erreicht werden kann. Auch Kirchheim ist auf dem Weg, Teilbereiche zu privatisieren und auszulagern. Bürgermeister Helmut Riegger verwies darauf, dass Kirchheim mit der Steuerkraft auf dem 13. Platz von 42 Gemeinden liegt. Rieggers Ziel ist daher eine wirksame Wirtschaftsförderung. Es gelte auch, beim geplanten Hallenbadneubau das angedachte privat finanzierte Betreibermodell durchzurechnen und Verwaltungsaufgaben an Private zu vergeben, ohne den Service der Stadt einschränken zu müssen. Reichenbachs Bürgermeister Bernhard Richter: Wir sind durch Einsparungsmaßnahmen zwar nicht schuldenfrei, liegen aber mit den finanziellen Belastungen weit unter dem Landesdurchschnitt. Problematisch sei nur, dass Landeszuschüsse ausbleiben, wenn die Gemeinde zu wenig Schulden hat. Es gelte vielmehr, die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung zu untersuchen und mit den vorhandenen Mitteln nach Optimierungsmaßnahmen zu suchen. Marcel Baars, selbständiger Unternehmer: Motivieren ist wichtig, damit die Bürger an etwas glauben können.
Albert Kahle sieht die Stadt vor dem Ruin. Es seien in einem nicht mehr vertretbaren Umfang Mittel ausgegeben worden. Drei Viertel der so finanzierten Vorhaben sind Träumereien aus einer Zeit, als die Stadt noch Geld hatte. Außerdem seien durch Steuererhöhungen just diejenigen Unternehmer getroffen worden, die Gewerbesteuer zahlen sollten, aber nicht mehr können. Durch höhere Parkgebühren bleiben Kunden weg, beklagt Kahle und es gehe nicht an, Geld auszugeben, das man noch gar nicht hat.
Da werden 285 000 Euro zur Renaturierung eines Bachs ausgegeben, der gar kein Wasser mehr führt, nennt Kahle ein Beispiel unsinniger Ausgaben. Die weitere Diskussionsrunde hatte die Personalkosten zum Thema. Jürgen Spahl hatte sich vor acht Jahren zum Ziel gesetzt, die wirtschaftliche Situation der Gemeinde zu verbessern, Bürger und Unternehmer zu entlasten und dabei das Ziel nicht aus den Augen zu lassen, die Handlungsfähigkeit der Gemeinde zu erhalten. Es galt, Investitionen und die Darlehensbelastung abzubauen, die Personalausgaben zu reduzieren, statt Vollzeit- Teilzeitarbeitskräfte auf freiwilliger Basis einzusetzen, vor allem die Mitarbeiter zu motivieren und teure Fachleute beispielsweise in der Kläranlage durch gut ausgebildete Mitarbeiter zu ersetzen. Dazu Spahl: Mitarbeiter können gut sein, wenn sie gut sein und frei entscheiden dürfen. Das Ergebnis: eine Einsparung im Jahr 2003 von 325 000 Euro, wobei der Service nicht darunter leiden darf. Angesichts von 18 Millionen Euro an Personalausgaben in Kirchheim sind für Bürgermeister Riegger Spahls Ideen und Modelle interessant. Notwendig sei auch eine Analyse, wo die Stadt mit ihren Mitarbeitern steht. Obwohl Kirchheim bei den Personalausgaben an vorletzter Stelle in der Region steht, müsse versucht werden, die Einsparungsschraube noch weiter nach unten zu drehen und Aufgaben auszulagern, allem voran das Gebäudemanagement.
Bernhard Richter setzte in seiner Gemeinde auf Teams, wobei einer davon ein Mitarbeiter der Gemeinde sein musste. Ein echter Kostenvergleich sei aber nur möglich, wenn die einzelnen Ausgabenbereiche gesondert betrachtet werden. Dabei erhebe sich die Frage, was die Stadt überhaupt anbieten muss. Das gelte auch für ein Kirchheimer Spaßbad. Marcel Baars zielt darauf ab, dass Dienstleistungen mit viel Herzblut angeboten werden, denn was bringt ein hervorragendes Produkt, wenn es vom Außendienst kaputtgeredet wird. Baars versprach, im Falle seiner Wahl in dieser Hinsicht Kirchheim zu einem Vorbild für ganz Deutschland zu machen.
Albert Kahle forderte, beim Personal eine Umschichtung vorzunehmen, auf Auslastung zu achten und die Leute richtig einzusetzen, keine unnötigen Investitionen vorzunehmen und die Personalkosten zu senken. Als größten Fehler bezeichnet Kahle die Tatsache, dass Kirchheim IKEA vergrault hat. Mit IKEA wäre seiner Meinung nach der Kruichling längst verkauft.
Auch Angelika Matt-Heidecker bedauert den Verlust von IKEA, weil drei Grundstücksbesitzer ihr Land nicht verkaufen wollten und der Gemeinderat von einer möglichen Enteignung Abstand nahm. Kahle hielt sie entgegen, dass die Stadt in den kommenden Jahren bei den Personalkosten 400 000 Euro einsparen will. In der Personalverwaltung müsse jedoch die Hierarchie von der Vertikalen mehr in die Breite geführt werden. Unterhaltskosten sind Sachausgaben: Jürgen Spahl schaltete bei der Gebäudebewirtschaftung Profis ein. Dabei musste dieser Privatunternehmer Einsparungen erwirtschaften. Die Erfolgsbilanz: Nur noch 15 Prozent der früheren Kosten, keine Entlassungen, weniger Verwaltungsaufwand und weniger Kosten für den Bereitschaftsdienst der Kläranlage, weil sich die Gemeinde einem Störungsmanagementzentrum angeschlossen hat.
Vergaben an heimische Unternehmer senken die Kosten bei Investitionen, weil die Ausschreibung der Arbeiten durch die Stadt stets teurer ist, als die Vergabe an Privatunternehmer. Auch bei der Umsatzsteuer seien Kommunen durch die gesetzliche Regelung schlechter gestellt als Unternehmen. Daher die Konsequenz: Rein ins Privatrecht und eine GmbH gründen, wie es seine Gemeinde im Bereich Abwasserentsorgung getan hat. Dem Bürger entstehe dadurch keine Mehrbelastung, die Beiträge blieben stabil und Investitionen können mit einer GmbH günstiger durchgeführt werden. Der Einfluss des Gemeinderats bleibe durch ein Weisungsrecht erhalten. Inzwischen sei die erfolgreiche GmbH durch andere Bereiche erweitert worden. Dem stellte Moderator Scheffold allerdings den Nachteil gegenüber, dass eine GmbH der Kommune in Konkurrenz zu örtlichen Unternehmen steht.
Bernhard Richter nannte Beispiele aus seiner Gemeinde, durch Zusammenschlusss zu Einsparungen zu kommen. Darüber hinaus könnte Kirchheim beispielsweise städtische Wohnungen verkaufen und sich Belegungsrechte sichern. Kirchheim sollte sich nur auf Dinge beschränken, die sie anbieten muss, betonte Richter. Unternehmen holen sich für Problemlösungen Profis von außen, warum nicht auch Kirchheim, um mehr aus der Stadt zu machen? stellte Marcel Baars diese Frage in den Raum. Warum ist alles teurer, was die Stadt macht? Albert Kahle kritisierte Firmen, die mit ihren Preisen versuchen, von der öffentlichen Hand mehr herauszuholen und verwies außerdem darauf, dass viele teure Gutachten unnötig sind.
Angelika Matt-Heidecker bestand auf dem kommunalen Einfluss auf eine GmbH. Ein Controlling sei sehr wichtig, wie das Beispiel Ludwig-Uhland-Gymnasium gezeigt habe, wo der Stadt die Kosten davongelaufen sind. Die Stadt müsse Daseinsvorsorge betreiben, den bisherigen Standard herunterfahren, einen Teil der 316 städtischen Wohnungen verkaufen und in der Verwaltung ein Controlling einführen. Spahls Modelle nannte sie einen guten Schritt in die richtige Richtung. Helmut Riegger stimmte bei der Gebäudeverwaltung einem City-Management zu, erinnerte an seine Vorschläge einer Stadtmarketing- und einer Wirtschaftsförderungs-GmbH und Bernhard Richter betonte, dass auch seine Gemeinde Outsourcing betrieben habe mit dem Ziel einer schwarzen Null. Dazu sei aber Kostentransparenz notwendig. Als Negativbeispiel in Kirchheim nannte er die undurchsichtige Abrechnung eines Kindersportfestes.
Zinsausgaben sind Kosten: Jürgen Spahl erreichte durch weniger Zinsausgaben eine höhere Zuführungsrate durch eine Reduzierung der Schulden unter Berücksichtigung der Rücklagen. Erzielt worden seien vor allem Verbesserungen im sozialen Bereich. Darüber hinaus seien persönliche Kontakte zu Firmen und zu den Bürgern durch Besuche vor allem im Vorfeld größerer Vorhaben wichtig. Die daraus resultierenden Anregungen flossen in Rednitzhembach in die Planungen ein und sparten so Zeit beim Bearbeiten der Planung im Rathaus.
Marcel Baars stimmte dem voll zu, denn Kommunizieren und präsent sein ist sehr wichtig. Und er appellierte an die Kommunalpolitiker, die Wünsche der Bürger ernst zu nehmen. Albert Kahle warnte davor, Vorhaben nur der zu erwartenden Subventionen wegen zu realisieren und nannte weitere Beispiele in der Stadt wie städtische Wohnungsneubauten, obwohl der Verkauf von Wohnungen angesagt ist. Zudem stellte er Bürgerinteressen vor Sandkastenspiele der Verwaltung. Angelika Matt-Heidecker bestätigte, dass es in Kirchheim am Kontakt zu Unternehmen seit vielen Jahren gekrankt hat. Für sie stehe im Vordergrund, diese Kontakte zu pflegen und auszubauen. Die Stadtentwicklung müsse weitergehen das aber gehe nicht ohne Investitionen, betonte sie. Die Bürgerbeteiligung müsse gefördert und Vertrauen beim Bürger geschaffen werden.
Wirtschaftsförderung wird bei mir Chefsache, erklärte Bürgermeister Riegger, der neben dem Wirtschaftsrat ein Unternehmergespräch einführen will. Riegger: Wir müssen eine Zukunftswerkstatt hinsichtlich unserer Standardfaktoren einrichten.
Bernhard Richter beklagte, dass ein Unternehmer auf dem Rathaus zuerst erfahre, was nicht geht und damit ein schlechtes Klima die Folge sei. Doch das sind klimatische Dinge, die zu steuern sind.
Bernhard Richter zum noch meist brach liegenden Gewerbegebiet: Der Kruichling muss professionell vermarktet werden. Aber wissen Sie eigentlich, zu welchem Preis sie dort Bauplätze kostendeckend verkaufen müssen? stellte er die Frage an die Verantwortlichen der Stadt, nachdem allein 70 Millionen in die Vorfinanzierung gesteckt worden sind. Und obwohl Kirchheim noch andere Gewerbebrachen aufweise, sei bisher nichts geschehen und nicht zuletzt müsse sich in der Verwaltung die Denkweise ändern und der Bürger mehr in Entscheidungsprozesse eingebunden werden.